2007

Die mit Messer und Gabel lesenden
Es spielen
Johanna Stapelfeldt, Torsten Schütte, Elisabeth Bohde
Textbearbeitung und Regie
Elisabeth Bohde
Bühnenbild+Kostüme
Ensemble
Premierendatum, -ort
07.09.2007 in der Theaterwerkstatt Pilkentafel
Vorstellungsdauer
1h30
Vorstellungszeitraum
2007-2011
Zahl der Vorstellungen
39
Fakten
„Mit ihrem neuen Stück ,Die mit Messer und Gabel Lesenden’ wagt die Theaterwerkstatt Pilkentafel ein Experiment: Sie bringt die Texte des Büchner-Preisträgers Oskar Pastior auf die Bühne“, eröffnet Joachim Pohl seine Kritik in den Flensburger Nachrichten am 10. September 2007.
Im Setting eines Laborraumes
wird das Textuniversum Pastiors zu Sprache, zu Klang, zu Rhythmus: „Und so tragen wir diese Texte ins Labor unserer Münder, zerkauen Worte und lauschen ihrem Nachgeschmack, verdauen Sätze und spucken die Bedeutungen aus, verpacken die Texte in Flüstertüten und entkleiden sie, kochen die Silben auf und kühlen Buchstaben ab, legen Zeilen unters Brennglas und die Seiten aufs Tablett, kurz lesen mit Messer und Gabel und allen uns zur Verfügung stehenden Geräten“, beschreibt die Theaterwerkstatt selbst ihren Ansatz auf der Homepage.
Die Erforschung des Oskar Pastior
Die Sprache als solche wird ins Zentrum gerückt. So wird ein Gedicht chorisch gesprochen, an anderer Stelle mit der Sprache bzw. Aussprache experimentiert. In der zweiten Phase wird der Fokus auf die Sprechhaltung gelegt. „Die Sprache so virtuos thematisieren, dass einem vom Zuhören schwindlig wird. Die Sätze zerlegen und neu wieder zusammenbauen. Aber auch Texte, die plötzlich ganz vertraut klingen, weil man ähnliche Texte jeden Tag in den Nachrichten hört, wenn Politiker sich vor die Mikrofone drängen“, erläutert Joachim Pohl weiter in seiner Rezension.
Der verfolgte Schriftsteller
In der dritten Phase kristallisiert die Rahmenhandlung den politischen Hintergrund der Texte heraus: Der Angestellte wird in eine Verhörsituation gedrängt, er muss seinen Arbeitskittel ablegen und wird sinnbildlich zum verfolgten Schriftsteller, der den Hierarchien und Fallstricken des Systems unterworfen ist. Seine Fliehbewegung ist auf dem Fußboden vorgezeichnet.
Forschungsgegenstand Sprache
Die Inszenierung stellt ein dreiköpfiges Forscherteam vor: Elisabeth Bohde als Laborleiterin, Johanna Stapelfeldt und Torsten Schütte als ihre Mitarbeiter:innen. Die Abläufe und Forschungsvorgänge in dem sehr strukturierten Labor bilden die Rahmenhandlung des Abends, der sich in drei Phasen gliedert: Zunächst wird dem Publikum an drei verschiedenen Orten des Labors ein Platz zugewiesen, die Laborsituation wird vorgestellt und die Figuren werden eingeführt. Zahlreiche Ordnungssysteme werden bedient, Worte beispielsweise in Reagenzgläser gefüllt oder Formulare gestempelt und abgeheftet. „Hier bewegen sich zwei Laborangestellte … auf vorgezeichneten Bahnen, während die Laborleiterin (…) mysteriöse Telefonanrufe entgegen nimmt und die Aufträge an die beiden weiterleitet. Die Aufträge - das sind die Texte des 2006 verstorbenen Schriftstellers Oskar Pastior“, beschreibt Joachim Pohl die Situation in der oben genannten Kritik.
Ein Forscherteam bei der Arbeit
Fotos





Das Publikum erlebt die Vorstellung von drei im Raum verteilten Podesten aus, ohne Stühle. Um diese Podeste herum erhebt sich eine detailreiche Laborlandschaft, die ein Spannungsfeld zwischen vordergründiger Ordnung und Systematik und dahinterliegender Willkür offenbart.
Die Fenster des Raumes sind mit blau-grauen Folien abgehängt, dahinter flackern Neonröhren, zahlreiche Schilder weisen auf Notausgänge hin, Overheadprojektoren unterstützen das künstliche Lichtkonzept. Auf dem Boden befinden sich verschiedene Markierungen, die alle ins Leere führen oder sich widersprechen, ein Schriftzug auf transparenter Folie verläuft quer durch den Raum und von der Decke rollen während der Vorstellung Filmspulen ab und bilden eine Art Vorhang. Im Raum stehen Tropfständer, Krankenhaustabletts, verschiedene Ordnungssysteme, Tische und eine Leiter.
Während der Vorstellung muss das Publikum von einem Podest zum anderen wechseln, die Raumsituation wird immer unübersichtlicher und chaotischer.
Alle Spieler:innen tragen weiße Laborkittel.
Eine Rauminstallation
Die körperliche und musikalische Annäherung an die Sprache ist Ausgangspunkt der Inszenierung bzw. der zugrunde liegenden Arbeitsweise.
Einerseits erschließt sich der Rhythmus der Sprache über Bewegung und Bewegungsabfolgen, andererseits werden die Texte musikalisch bearbeitet und beispielsweise vom Rhythmus eines Schreibvorgangs auf der Schreibmaschine begleitet.
Die Kommandos der Laborchefin schallen in Form verschiedener Klingeltöne ins Labor, die von einem Klingelbrett schallen, das die Laborchefin mit sich trägt. Die Labormitarbeiter:innen sind in der Lage, diese Klingelton-Abfolgen zu lesen und umzusetzen.