1991
Kolik
Es spielt
Torsten Schütte
Regie
Elisabeth Bohde
Musik
Matthias Kaul
Bühnenbild+Kostüme
Ensemble
Premierendatum, -ort
23.05.1991, im von der Pilkentafel besetzten Lokschuppen in Flensburg
Vorstellungsdauer
90 Minuten
Vorstellungszeitraum
1991-1992
Zahl der Vorstellungen
30
Fakten
1991 erhalten Elisabeth Bohde und Torsten Schütte offiziell die Erlaubnis, den Lokschuppen in Flensburg zu bespielen, nachdem sie ihn 1988 besetzt hatten, um ihn als Spielstätte durchzusetzen. Sie entwickeln einen Spielplan für das ‘Theater auf der anderen Seite‘. Inspiriert von der Bonner Inszenierung des Goetz-Textes ‘Krieg. Teil 1 der Trilogie‚ von Hans Hollmann (1988 beim Berliner Theatertreffen) entsteht eine erste Fassung von Kolik (für die Veranstaltungsreihe ‘Wenn Männer alleine sprechen‘ der Werkstatt Pilkentafel 2 in Reaktion auf den Golfkrieg. 1991 wird die Entscheidung gefällt, den Text ausgefeilt zu inszenieren.
Hintergrund
„Diese Produktion war eigentlich der Drehpunkt. Weg vom Trio hin zum Paar. Es stellte sich nach den Proben sehr eklatant die Frage, was wir denn nun zusammen machen, nachdem wir uns gar nicht mehr gemeinsam in ein Stück werfen können und ob da nicht vielleicht auch etwas Anderes entstanden ist.“ (Elisabeth Bohde)
Zitat
Der Text ‘Kolik’ ist ein Teil der Trilogie ‘Krieg’ von Rainald Goetz. Das auf diesem Text beruhende Solo von Torsten Schütte stellt für ihn das Ende einer Sinnkrise und die finale Hinwendung zum Theater dar. „‘Kolik‘ ist Krieg im Kopf, ist der Amoklauf eines Einsamen gegen die Welt, das Leben, die Sprache“, heißt es in der Ankündigung. Und weiter: „Ein Mann denkt. Es denkt in ihm. Das Sprechen selbst wird Handlung, die Sprache spricht sich selbst, zerfällt und wuchert weiter, klinische Betrachtung des Denkvorgangs. Sätze explodieren, treiben in rasendem Tempo weiter auf das Ende zu... Und doch ist das scheinbare Chaos perfekte geometrische Ordnung: symmetrische Komposition durch 17 Stationen.“
„Der Text versucht, das ganze Leben zu erfassen. Er ist die Suche nach dem Punkt, von dem aus ich alles anders machen kann“, sagt Elisabeth Bohde in ihrer Reflexion.
In Flensburg wird die Premiere von der Kritik gefeiert: „Flensburg hat… ein Theater und einen Theaterstar mehr.“ (dak, Flensburger Tageblatt, 25.05.1991)
Das ganze Leben
„Wir haben die Sprache als Partitur begriffen, jede Szene hat zusätzlich zu dem enorm schnell gesprochenen Text eine andere handwerkliche Herausforderung für Torsten.“ Ausgefeilte choreografierte Momente und körperlicher Einsatz sowie die Musik/Sound-Einspielungen von Matthias Kaul rahmen den Text und die darin zur Schau gestellten Männlichkeitsattitüden.
Diese besondere Form des Umgangs mit Text und Sprache zeichnet zahlreiche Produktionen der Theaterwerkstatt Pilkentafel aus. (siehe u. a. Opium für Ovid)
Zusammenspiel von Musik und Sprache
Flyer
Fotos
Die Inszenierung fordert das Publikum mit Wortkaskaden in sehr hohem Tempo und infernalischen Sounds (teilweise auf einer ungestimmten verstärkten Gitarre) heraus. „Goetz stand auf heavy metal, das hat Matthias nachgeahmt und wir haben das unangenehm laut abgespielt“, fasst es Torsten Schütte zusammen.
In der Stückbeschreibung auf der Homepage der Theaterwerkstatt Pilkentafel heißt es: „Rainald Goetz‘ männlicher Monolog ist ein außergewöhnliches Theaterstück, das nach außergewöhnlichen Aufführungsorten und –bedingungen verlangt. In der Inszenierung von Elisabeth Bohde umkreist der Darsteller die Zuschauer:innen, es gibt keinen geschlossenen Bühnenraum. Nackte Mauern bilden den idealen Hintergrund für dieses Werk.“
Umgang mit Extremen
Aus den Charakteristika des Textes, den Elisabeth Bohde als „mega chaotisch und gleichzeitig unglaublich strukturiert“ beschreibt, entsteht das Bühnenkonzept eines fast leeren Raumes mit 17 Stationen, die das Publikum umgeben und durch verschiedene Gegenstände (Stühle, Geräte, Leiter, …) gekennzeichnet sind. Die Stationen sind jeweils gegensätzlichen Wortpaaren zugeordnet.
1_Hirn - 17_Stirb
2_Umsturz - 16_Halt
3_Kraft - 15_Schwach
4_Strenge - 14_Schmerz
5_Musik - 13_Wort
6_Licht - 12_Dunkel
7_Wissenschaft - 11_Glaube
8_Zweifel - 10_Verzeiflung
9_Arbeit
Die Zuschauer:innen sitzen in der Mitte des Raums und die Stationen sind um sie herum angeordnet, so dass sie sich mit drehen müssen.
Der Raum
„In Kiel wollten uns wegen der Musik einige Zuschauer auf Körperverletzung verklagen.“