2002
Die Menschen-fresserin
Es spielen
Ute Wassermann (Stimmperformance), Torsten Schütte (Erzähler), Astrid Schmeling (Flöte), Matthias Kaul (Percussion)
Regie
Elisabeth Bohde
Komposition
Matthias Kaul
Kostüme+Licht
Gesine Hansen, Harald Smorra
Koproduzenten
Premierendatum, -ort
15.10.2002 auf der Probebühne der Staatsoper Hannover
Vorstellungsdauer
50 Minuten
Vorstellungszeitraum
2002-2004
Zahl der Vorstellungen
20
Fakten
„Das war schon ernsthaft eine Oper auf eine besondere Art“
Zitat
Die Inszenierung ist die theatrale Umsetzung des Bilderbuchs ‘Die Menschenfresserin’ von Valerie Dayre mit Bildern von Wolf Erlbruch. Die Erzählung kreist um eine Frau, die unbedingt ein besonders schönes Kind fressen will. „Daraufhin verstecken alle ihre Kinder, die Frau wird immer weniger wählerisch und immer dünner. Erstaunlicherweise fragt niemand, warum sie ein Kind fressen will oder schickt sie weg. Irgendwann kommt die Frau nach Hause und da steht ein sehr schönes Kind, das frisst sie sofort und dann merkt sie, dass es ihr eigenes Kind war.“ (Elisabeth Bohde)
Eine Frau, die ein Kind essen will
Die Theaterwerkstatt Pilkentafel erläutert die als Oper angekündigte Produktion auf ihrer Homepage wie folgt: „Es ist eine Geschichte der Abgründe …, wie eine griechische Tragödie. Sie ist gleichermaßen unwahrscheinlich und wahr. Und genau das macht sie zur idealen Vorlage für eine Oper. … In dieser Oper wird kein Wort gesungen, denn die Menschenfresserin spricht nicht, sie singt, stöhnt, schmatzt, gurgelt. ... Die Bilder des Buchs sind in Musik verwandelt, neue Klangwelten tun sich auf, Un-erhörtes ist zu hören. Diese Oper ist ein Stück inszenierter Musik, ein Spiel mit Klängen und Räumen, Projektionen und Übersetzungen, klingenden Bildern und stummen Gesten.“
Und im Weiteren zitiert sie Wolfgang Schneider: „Diese Oper ist auch ein Stück große Kunst für Kinder, denn Theater für Kinder ist nicht wie der Kinderteller im Restaurant - eine halbe Portion, sondern Erlesenes für ein besonderes Publikum.“
Ein Stück inszenierter Musik
„Es gab Mütter, die ihre Kinder rauszerrten, aus Angst, dass sie traumatisiert werden, die schrien dann vor der Tür, weil sie wieder rein wollten.“ (Elisabeth Bohde)
Erinnerung
Die fruchtbare Zusammenarbeit der Theaterwerkstatt Pilkentafel mit Matthias Kaul setzt sich mit ‘Die Menschenfresserin’ fort. Durch die intensive Auseinandersetzung mit der jeweiligen Form und der Frage, was Theater und was Musik ist, wie sich Gesetzmäßigkeiten des einen Mediums auf das andere übertragen lassen und wie spezifische Vorgänge erfahrbar gemacht werden können, entsteht eine eigensinnige und einmalige Erlebniswelt, die das Publikum auf verschiedenen sinnlichen Ebenen adressiert und die Kritik überzeugt (siehe Rezensionen).
Thomas Frahm, viele Jahre der Hauptansprechpartner der Theaterwerkstatt Pilkentafel in der Flensburger Kulturverwaltung sagt: „Die Pilkentafel ist immer eine Werkstatt geblieben, sie ist kein isolierter Kosmos, sondern immer auf den Dialog aus.“
Die beständige, mit dieser Haltung einhergehende Suchbewegung beschreibt Uwe Schade mit den Worten: „Elisabeth und Torsten haben es sich bewahrt, frei zu bleiben, im Sinne der 80er Jahre. Nie sind sie Moden gefolgt, sondern immer haben sie erspürt, was unter der Decke gärt. Sowohl politisch-thematisch als auch ästhetisch. Der Blick über den eigenen Tellerrand, der internationale Blick und die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Mitteln zeichnen in diesem Sinne die Arbeit der Theaterwerkstatt Pilkentafel aus.“
Zeitgenossenschaft
Bildmaterial
Multimedialer Erfahrungsraum
In einem aufwendigen Bühnensetting verweben sich verschiedenste Medien, um die Geschichte der Menschenfresserin und die verschiedenen Ebenen der Geschichte zu durchdringen. Die Klang- und Soundebene spielt dabei eine besondere Rolle: Die Geschichte entfaltet sich über Bilder, Geräusche, Soundeffekte und Musik. Ein Erzähler übersetzt diese Ebenen für das Publikum.
Die von Ute Wassermann mit ihrer Stimme produzierten Töne entwickeln über den Einsatz eines Mikroports und zahlreiche im Zuschauerraum verborgene Lautsprecher eine spezielle Soundebene. Der „Klangzauberer“ Matthias Kaul (Rezension von Joachim Pohl, 16.09.2002) vertont beispielsweise das Geräusch des Fressens auf der Pauke. Astrid Schmeling lässt den Mond mit der Flöte akustisch lebendig werden.
Das Bühnenbild zeigt einen komplexen Raum, der das Dorf des Geschehens abbildet: Ein Labyrinth aus Vollholz-Wänden, die mit zusätzlichen Gitterelementen ineinander verschachtelt sind. Es entstehen Gänge und Gassen, die durch ein aufwendiges Lichtkonzept unterschiedlich beleuchtet werden können. Außerdem dienen die Wände als Projektionsflächen, mehrere Dia-Projektoren werfen die Bilder aus dem Bilderbuch in den Raum auf einzelne Requisiten und Wände. Eine horizontale blaue Linie auf den Wänden deutet das Wasser an, an dem das Dorf liegt. Auf der vom Publikum aus linken Seite des Raumes befindet sich zusätzlich ein Gerüst, eingewickelt in Verbände, in dessen Inneren Matthias Kaul mit seinen Instrumenten verortet ist. Auch die Pauke auf der obersten Plattform ist durch Beleuchtung von innen Teil des ausgefeilten Lichtkonzepts.
Es ist eine für die Theaterwerkstatt Pilkentafel sehr teure Produktion (große Besetzung, 2 Techniker, 2 Sprinter voller Ausstattung, umfangreiches Instrumentarium). Angelehnt an das Bilderbuch sind auch die Kostüme gestaltet: Das farbenprächtige Kleid von Ute Wassermann ist am Anfang sehr pompös, sie kann aber Teile abreißen, so dass sie am Ende im Minikleid fast nackt dasteht.
Umsetzung
"Matthias sagte, dass er nur das Buch auf den Notenständer legen müsste, dann wäre die Musik für die Inszenierung schon fertig."