Was ist das eigentlich: Spielen? Spielen ist nutzlos! Sinnlos? Es produziert nichts Verwertbares. Und genau das ist sein Wert. Freies Spielen, also keine Brettspiele oder Gewinnspiele oder Computerspiele, kann neue Welten erfinden, Dinge verwandeln, im Spiel können wir uns der Welt anverwandeln, um diesen schönen Begriff von Hartmut Rosa zu nutzen. Grundlage des Spiels ist aber immer die Verabredung, dass wir spielen.
Wenn eine spielt und der andere nicht, dann wird es unfair. Im freien Spiel können wir die Spielregeln bestimmen, wir wissen, dass wir sie gemacht haben und also auch verändern können. In der Wirklichkeit geht uns dieses Wissen gern verloren. Kinder wissen, dass sie spielen, wenn sie spielen. Ich sage, du bist wohl jetzt der Löwe und dann bist du wohl der Löwe, und in dem ,wohl’ steckt das ganze Wissen, dass du natürlich nicht der Löwe bist. Spielen ist also immer eine Schule der Multiperspektivität, und Kinder können sehr gut mit diesen zwei oder mehr Wahrheiten umgehen.
Und genau deshalb hat sich die Theaterwerkstatt Pilkentafel so für ihr kindliches Publikum interessiert, weil sie dieses Wissen der Spieler:innen mit ihnen teilte, und nie, weil sie meinte,etwas mehr oder besser zu wissen als die Kinder. Anders ja – aber eben im Respekt für das Anders der Kinder. Die Begegnung zwischen den Spielern auf der Bühne (Schauspieler ist hier nicht das richtige Wort, denn es war keine Schau sondern ein Spiel!) war immer eine Grenzüberschreitung, eine Transformation. Wer spielt, kann sich immer auch eine andere Welt als die vorstellen, in der wir leben – und ohne diese visionäre Kraft gibt es keine gestaltende Veränderung. Sollte hier der alte Spontispruch abgewandelt werden, wer keinen Mut zum Spielen hat, hat keine Kraft zu kämpfen?
(Eine Einordnung von Elisabeth Bohde)
Lotta
Das ist Lotta als 6 Jährige. Sie spielt hier zusammen mit Anton, ihrem Bruder, auf dem Balkon. Die beiden waren schon in der Badewanne, deshalb sind sie auch schon im Schlafanzug, und sollten danach eigentlich ins Bett gehen. Das wollten sie aber nicht. Sie hatten schon in der Badewanne mit den Küchenutensilien gespielt und danach auf dem Balkon einen Imbissstand aufgebaut. Das Spiel und ihre Konzentration darauf hat ihren Eltern so gut gefallen, dass sie sie weiter spielen ließen – und sie es sogar fotografiert haben. Also hat Lotta mal wieder erreicht, was sie wollte.
Lotta hatte immer sehr viel Spaß, die Spiele einzurichten und es musste ordentlich sein – im Spiel. Sie spielte ganz sorgfältig. Es war z. B. viel Arbeit, die Brottüten gut auf die Köpfe zu ziehen. Die magische Formel dabei war: „die Brottüten sind jetzt wohl Kochmützen“. Und dann waren sie Kochmützen, obwohl man ja wusste, dass es Brottüten waren. Mit dieser Formel konnte man immer alles verändern: Wenn es im Spiel ein Problem gab, also wenn die Herdplatte plötzlich im Weg war, konnte man einfach sagen: „die Herdplatte ist jetzt wohl woanders“ oder „Da ist jetzt wohl noch eine Tür“. Es war wirklich, weil man es mit anderen verabredete. Deshalb hat Lotta immer mit anderen gespielt. Sie wollte immer spielen, denn hier waren ja alle Probleme zu lösen.
Dass das in der erwachsenen Welt und in der Schule nicht so funktionieren würde, ahnte sie schon.
(Elisabeth Bohde)
Auch interessant dazu: Elisabeths Text ,Kindertheater und Objektarbeit', zu finden unter Kistenleben.