2002
Jacke wie Hose
Von und mit
Elisabeth Bohde und Torsten Schütte
Komposition
Matthias Kaul
Kostüme
Gesine Hansen
Premierendatum, -ort
19.04.2002 in der Theaterwerkstatt Pilkentafel
Vorstellungsdauer
1h
Vorstellungszeitraum
2002-2013
Zahl der Vorstellungen
55
Fakten
Trailer
Dieses Duo von Elisabeth Bohde und Torsten Schütte kreist um die existenzialistische Frage, wie man sich in einer Welt zurechtfinden kann, die nicht für einen bestimmt ist. Auf abstrakte Weise verhandelt diese Produktion für junges und älteres Publikum so das Fremdsein in der Welt. „Die Welt liegt vor einem voller Angebote, aber sie sind alle falsch. Was bleibt? Es sich passend zu machen oder sich anzupassen. ‘Jacke wie Hose’ handelt von diesem Zustand.“ (Homepage Theaterwerkstatt Pilkentafel)
In einer fremden Welt
Der Raum ist zweigeteilt: Auf der linken Seite steht ein Kleiderschrank, neben dem Torsten Schütte auftritt und der die zahlreichen Kleidungsstücke beherbergt. Auf der rechten Seite stehen ein Sessel aus Plastik, ein Tisch und ein CD-Player sowie in einer späteren Inszenierungsvariante ein Home-Trainer-Rad, auf dem Elisabeth fahren muss, wenn sie ,schwach geworden’ und über einige Chipstüten hergefallen ist, die sie weit oben in einem Regal deponiert hat und nur erreicht, wenn sie auf den Stuhl klettert.
Elisabeth und Torsten zeigen zwei Möglichkeiten des Verhaltens, parallele Kämpfe in eigentümlicher Koexistenz:
Torsten zelebriert das Ringen mit der Welt mit verschiedenen präparierten Kleidungsstücken: Grundlegendes Element der Inszenierung sind gebrauchte und umfunktionierte Kleidungsstücke, die Kostümbildnerin Gesine Hansen so überarbeitet hat, dass sie nicht mehr tragbar sind oder besondere Herausforderungen mit sich bringen. Eine zu kleine Strumpfhose, ein enges Schlauchkleid mit riesigem Rollkragen oder eine Hose mit angenähten Handschuhen: die Spielvorgänge leiten sich vom Kampf mit diesen Objekten ab.
Ein wesentliches Element des Spiels von Elisabeth ist das Einspielen von Sound-Collagen und Musiken, das Vertilgen von Chips und der Versuch, es sich auf dem Sessel aus Plastik bequem zu machen. Die Langeweile ist zentraler Bestandteil der von ihr performten Figur.
Die Inszenierung kommt fast ohne Worte aus.
Beengte Zustände
Bei einer Tournee durch Mexiko mit Waschtag gibt Elisabeth Bohde Schauspielern einen Workshop mit Kleidungsstücken. „Am Workshop nahmen vor allem Schauspieler teil, mit denen man gut Bösewichte hätte besetzten können“ (Elisabeth). Doch die Männer gehen derart zart mit dem Material um, dass die Idee entsteht, weiter mit Kleidungsstücken zu arbeiten. Zunächst als Solo für Torsten Schütte angelegt, entsteht schließlich das Duo.
Eine Tournee durch Mexiko
Fotos
Zeitansage
Der Abend „erzählt keine Geschichte, sondern hat die Struktur eines Konzertes. Wie zwei Stimmen in der Musik spielen Torsten Schütte und Elisabeth Bohde nebeneinander einen Mann, der nicht weiß, was er anziehen soll, und eine Frau, die nicht weiß, wie sie es gemütlich haben kann.“ (Theaterwerkstatt Pilkentafel)
„Eigentlich war das ganze Stück so, als ob man in ein Haus schaut, ohne Fassade. Auf zwei Personen in ihren jeweiligen Wohnungen, die unabhängig voneinander Dinge tun, aber doch irgendwie synchron sind“, beschreibt Elisabeth die Rezeptionssituation. „Es war der Versuch, eine Zwei- bzw. Dreistimmigkeit auf der Bühne herzustellen.“
Strukturiert wird die Inszenierung durch ein musikalisches Leitmotiv: Um die telefonische Zeitansage* baut Matthias Kaul verschiedene Musik- und Klangwelten. Die Zeitansage ist jedoch kontinuierlich hörbar und unterstreicht die Monotonie und Enge der Bühnensituation.
*eine frühe Funktion der Festnetztelefonie: „ Beim nächsten Ton ist es 11 Uhr - Piep“
Zehn Jahre nach der Premiere von Kistenleben (1992) und ein Jahr nach der Überarbeitung von Ist ja nur Pappe (1996) mit Federleichte Bauweise (2001) realisiert die Theaterwerkstatt erneut eine Produktion, die Objekte ins Zentrum der Auseinandersetzung rückt. Standen bei den anderen oben genannten Produktionen die Materialien im Vordergrund oder lösten sie bei Schuh wie Du (1994) verschiedene Geschichten aus, steht der Umgang mit ihnen hier exemplarisch für das Innenleben der Figuren. Das von der Theaterwerkstatt Pilkentafel selbst als Konzert bezeichnete Inszenierungskonzept weist ebenso wie in den anderen Objekttheater-Produktionen der Klangebene eine besondere Bedeutung zu.